yoga

«Yoga» ist im indischen Kulturraum ein Überbegriff für ein weites Spektrum von Wegen zur Transformation der menschlichen Existenz. «Yoga» kann man übersetzen mit: «Vereinigen», «Verbinden», «Anschirren». Das meint sinngemäß die Verbindung des Körpers und des Geistes. In der indischen Kultur sind Yoga-Praxis und philosophische Reflexion untrennbar miteinander verbunden.

Der klassische Yoga Patanjalis

Der «klassische Yoga» gilt als eines der sechs orthodoxen philosophischen Systeme der Hindu-Tradition und findet seinen Ausdruck im Yoga-Sutra des Patanjali (2.-3. Jh. n. Chr.). Die Praktiken und Philosophien, die er hier zusammenfasste, sind jedoch weit älter und gründen in einer Vielzahl von Traditionen, die einander wechselseitig beeinflussten. Die zu dieser Zeit im indischen Raum bedeutendsten kulturellen Strömungen waren jene Traditionen, die heute unter den Begriffen «Hinduismus» und «Buddhismus» zusammengefasst werden.
Im Yoga-Sutra des Patanjali sind die seit den Upanishaden überlieferten Methoden zusammengefasst und im Kontext einer achtfältigen Struktur – vermutlich eine Antwort von Patanjali auf Buddhas achtfältiges Weg-Verständnis – verfeinert dargestellt. Mit dieser Struktur entwickelte Patanjali das erste schulenübergreifende System, in dem er die zu seiner Zeit aktuellen Yoga-Praktiken und -Philosophien einordnete.
Patanjalis aufgezeigter achtfache Weg gliedert sich in drei Bereiche. Seine einzelnen Glieder bauen aufeinander auf, sind aber auch synchron zu verstehen.

Basis: ethische Lebensführung

  1. durch das Zurückhalten destruktiver Handlungen und
  2. das aktive Entwickeln heilsamer Eigenschaften

Formale Übung

  3. von Körperstellungen («Asanas»), die es erlauben, zur
    Ruhe zu kommen,
  4. von belebenden Atemweisen und
  5. dem Zurückziehen der Sinne und des Denkens aus
    Verstrickungen

Wirkung: «der Reichtum des Yoga»

  6. Zentrierung,
  7. Meditation und
  8. die Ruhe der Befreiung des Geistes

buddhistische Lehre

Buddha (5.–4. Jh v. Chr.) entwickelte seine Lehre im Kontext sehr früher Yoga-Praktiken, deren Spuren sich in den Veden und Upanishaden finden. Zum Yoga zählen um diese Zeit Beherrschung von Atem und Bewusstsein, Rückzug der Sinne, Meditation, Konzentration, kontemplative Prüfung und Versenkung.
«Achtsamkeit» wird ein Angelpunkt seiner Lehre: Achtsamkeit, die es im Sitzen, Gehen, Stehen und Liegen zu üben gilt – Achtsamkeit während des Aus- und des Einatmens.

Hatha-Yoga

«Hatha-Yoga» kann man wörtlich mit «kraftvoller Yoga» übersetzen. Darüber hinaus gibt es auch eine symbolische Bedeutung: Der Begriff «Hatha» symbolisiert die Vereinigung der Sonne [ha] mit dem Mond [tha], die als Entsprechungen zu auseinandergefallenen energetischen, im Körper fließenden Hauptenergien des Menschen gedacht werden. Mit dieser energetischen Sicht vom Menschen wird im Hatha-Yoga die Bedeutung des Körpers für die geistige Entwicklung des Menschen betont.
Hatha-Yoga entstand im Umfeld tantrischen Denkens, vermutlich zu Beginn des zweiten Jahrtausends. In der Hatha-Yoga-Pradipika, dem etwa im 12.-15. Jh. verfassten Haupttext des Hatha-Yoga, liegt Hatha-Yoga als voll entwickeltes System vor. Hier wird der bereits bei Patanjali auftauchende Begriff «Asana» (Yoga-Stellung) in eine kleine Zahl einfacher körperlicher Grundstellungen aufgefächert. Zuvor bedeutete «Asana» schlicht eine Sitz-Stellung zum Meditieren.
In der Hatha-Yoga-Pradipika werden neben den Yoga-Stellungen noch weitere körperliche Übungen aufgelistet, die dafür gedacht sind, den menschlichen Organismus in seinem Zusammenspiel zu reinigen, zu verfeinern und für die Meditation vorzubereiten: Reinigungsübungen, Atemübungen und komplexere Übungen der Körpergesten.
Erst in der Neuzeit wurde schließlich das heute bekannte, breite Spektrum der Yoga-Stellungen entwickelt, mit dem Yoga heute im Westen meist assoziiert wird.

Yoga im Westen

Besonders seit den 80-er Jahren entwickelten sich im Westen – und zum Teil auch im Osten – zahlreiche Neukonzeptionen des Yoga. Obwohl Yoga und seine spezielle Form des Hatha-Yoga in seinem ursprünglichen Eigenverständnis untrennbar mit Ethik und Meditation verbunden ist, kam es im Zuge seines Bekanntwerdens im Westen häufig zu einer Sinnverkürzung. Das Praktizieren der verschiedenen Körper-Stellungen, der Atem- und Atemgewahrseins-Übungen und Reinigungs-Übungen des Yoga entfalten ihre volle Wirkung nur im Einklang mit einer ethischen Lebensorientierung und einer meditativen Vertiefung. Wenn diese fehlen, ist Yoga immer noch eine wunderbare und effektive Gymnastik. Aber er hat aufgehört, seine eigentliche Aufgabe zu erfüllen: das Transformieren menschlicher Existenz.

Zugang zum Yoga

Hatha-Yoga: Orientierung an der Lehre Swami Sivanandas

Swami Sivananda (1887-1963) zählt zu den bedeutendsten modernen indischen Yoga-Meistern. Sein besonderer Beitrag war es, die traditionellen Lehren aus seinem medizinischen Verständnis als Arzt zu erhellen. Über seinen Schüler Swami Vishnu Devananda, den er damit beauftrage, seinen Ansatz in der westlichen Welt zu verbreiten, gelangte dieser zu weltweiter Bedeutung. Er gehört heute im Westen zu den am häufigsten praktizierten Yoga-Stilen.

Meditation: Orientierung an der Lehre des thailändischen Meditationsmeisters
Ajahn Buddhadasa

Ajahn Buddhadasa (1906-93) ist thailändischen Historikern zufolge einer der einflussreichsten buddhistischen Meister in der Geschichte Thailands. Er widmete sein Leben der Erneuerung des Buddhismus durch Rückbesinnung auf seine Ursprünge und deren sozialpolitische und ökologische Relevanz. Seine Lehren sind direkt, aktuell und ökumenisch. Viele soziale Projekte und Reformen – sowohl auf nationaler wie globaler Ebene – gehen auf seinen Einfluss zurück.

Interkultureller Dialog

Die direkte Übernahme asiatischer traditioneller Positionen für Menschen unserer modernen westlichen Kultur bringt – bei aller Wertschätzung – ihre eigenen Probleme mit sich. Zum Teil ist das bedenklich, manchmal sogar gefährlich. Diesen Gefahren kann man begegnen durch einen erfahrungs- und dialog-orientierten Zugang zur östlichen Spiritualität. Dann kann sich jede und jeder Interessierte das nehmen, was für die eigene Entwicklung hilfreich ist. — Zwei moderne Disziplinen spielen dabei eine besondere Rolle:

  • Interkulturelle Philosophie: vor allem die Gedanken des spanisch-indischen Religionsphilosophen Raimundo Panikkar und des Japaners Keiji Nishitani
  • Psychologie: im Besonderen der Personzentrierte Ansatz Carl Rogers’

Grundsätze für das Unterrichten von Yoga – worum ich mich bemühe

  • Verständnis dafür wecken, dass menschliche Wachstumsprozesse ähnlich dem Öffnen einer Blütenknospe sind: Unter günstigen Rahmenbedingungen – gute Erde, genügend Licht und Wasser, … – geschieht das Sich-Öffnen der Knospe ganz von allein.
  • Den Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und natürlicher Entwicklung verständlich machen: Wenn wir achtsam sind, entspannen wir uns ganz natürlich. Das erlaubt auch ein völlig natürliches Entfalten einer vollständigeren Atmung.
  • Ermutigen zu Offenheit, die Raum lässt für neue Sichtweisen und konstruktive Skepsis